Deutschland beruhigt: US-Vorschlag zu Ukraine ist nur eine Diskussionsgrundlage

Berlin – Die deutsche Bundesregierung hat am Freitag betont, dass die von den USA vorgelegte Friedensinitiative für die Ukraine keinesfalls einen endgültigen Plan darstellt, sondern vielmehr eine Reihe von Vorschlägen, die schnell und gründlich zwischen Kiew und Moskau diskutiert werden müssen. Dies erklärte Bundesaußenminister Johann Fadevol während seines Aufenthalts in Brüssel.

Keine endgültige Friedenslösung – sondern Punkte für Verhandlungen

Laut Fadevol handele es sich bei dem Vorschlag nicht um eine abschließende Lösung des Krieges, sondern um ein Dokument, das aus mehreren essenziellen Punkten besteht. Diese müssten nach Ansicht der Bundesregierung unverzüglich und unter fairen Bedingungen zwischen der Ukraine und Russland besprochen werden. Deutschland stehe dabei klar auf Seiten der Ukraine und wolle, dass Kiew diese Gespräche von einer Position der Stärke aus führt.

Der Minister machte deutlich, dass die deutsche Haltung identisch mit der Position der gesamten Europäischen Union sei. Die Mitgliedsstaaten unterstützten die Ukraine sowohl wirtschaftlich als auch militärisch – und sähen im US-Ansatz eine mögliche Grundlage, um Gespräche wiederzubeleben, ohne jedoch die Interessen der Ukraine zu gefährden.

Washington spricht von akzeptablem Vorschlag

Auch das Weiße Haus hatte den Vorschlag der Biden-Administration als „für beide Seiten tragfähig“ bezeichnet. Die Initiative wurde in den vergangenen Tagen international diskutiert, da Medien Details veröffentlichten, die mögliche territoriale und militärische Zugeständnisse Kiews enthalten könnten.

Ein Vorschlag mit schmerzhaften Forderungen

Mehrere Beobachter werteten den US-Plan als potenziell sehr kostspielig für die Ukraine. Unter anderem beinhalte er laut Medienberichten den Verzicht auf die Krim sowie große Teile der Region Donbass. Dazu gehören unter anderem die Städte Donezk, Mariupol, Kramatorsk, Makeevka und Slawjansk sowie die Region Luhansk mit Städten wie Sjewjerodonezk und Lyssytschansk.

Der Donbass ist historisch ein industrielles Kerngebiet der Ukraine und steht geografisch Russland nahe. Die Abgabe dieses Territoriums würde eine massive Veränderung der territorialen Integrität des Landes bedeuten.

Militärische Begrenzung und kein NATO-Beitritt

Zu den bekannt gewordenen Vorschlägen gehöre weiterhin eine Begrenzung der ukrainischen Streitkräfte auf maximal 600.000 Soldaten – ein drastischer Rückgang gegenüber der derzeitigen Zahl. Weiter sieht das Dokument vor, dass keine NATO-Truppen auf ukrainischem Boden stationiert werden dürfen. Europäische Kampfflugzeuge sollen zwar in Polen bereitstehen, aber nicht innerhalb der Ukraine selbst.

Darüber hinaus müsste sich Kiew verpflichten, dauerhaft nicht der NATO beizutreten – ein zentraler russischer Forderungspunkt seit Beginn des Krieges. Gleichzeitig würde der Ukraine die Stationierung ausländischer Truppen untersagt, was auch multinationale UN- oder NATO-Friedenseinsätze ausschließen würde.

Wahlen innerhalb von 100 Tagen

Ein weiterer Bestandteil des Papiers ist die Durchführung von Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Ukraine innerhalb von 100 Tagen nach Inkrafttreten eines möglichen Abkommens. Für viele ukrainische Politiker und Bürger wäre ein solcher Zeitdruck angesichts der kriegsbedingten Lage im Land eine enorme organisatorische und politische Herausforderung.

Sicherheitsgarantien als Gegenleistung

Auf der anderen Seite versprechen die USA und ihre europäischen Verbündeten – ähnlich wie bei den Sicherheitsmechanismen der NATO – feste Schutzgarantien für die Ukraine. Ein amerikanischer Regierungsvertreter bestätigte, dass zukünftige Angriffe auf die Ukraine eine koordinierte Reaktion des Westens nach sich ziehen würden. Zusätzlich sollen rund 100 Milliarden Dollar aus eingefrorenen russischen Vermögen für den Wiederaufbau der zerstörten ukrainischen Infrastruktur verwendet werden.

Zudem eröffnet der Plan für Russland langfristig die Möglichkeit, schrittweise wieder in den globalen Wirtschaftsprozess integriert zu werden. Dies würde auch die teilweise oder vollständige Aufhebung von Sanktionen umfassen, sollten die Bedingungen umgesetzt werden.

Scharfe Reaktionen aus Kiew

In der Ukraine stießen die inoffiziellen Enthüllungen auf Kritik. Mehrere ukrainische Regierungsvertreter äußerten sich besorgt darüber, dass das Papier die Ukraine zu deutlichen und möglicherweise irreversiblen territorialen Verlusten zwingen könnte. Die Vize-Botschafterin der Ukraine bei den Vereinten Nationen, Kristina Hajowytschin, sagte, ihr Land sei zwar bereit für ernsthafte Verhandlungen, halte aber klare rote Linien ein. Dazu gehöre insbesondere, dass die Ukraine niemals offiziell oder inoffiziell russische Kontrolle über besetzte Gebiete anerkennen werde.

Auch Präsident Wolodymyr Selenskyj bestätigte, dass er den Vorschlag kenne und Gespräche mit Washington und europäischen Partnern führe. Gleichzeitig sei seine innenpolitische Position aufgrund jüngster Korruptionsskandale im Umfeld seines Teams geschwächt, was ihm nach Einschätzung vieler Experten weniger Handlungsspielraum verschaffe.

Amerikanische Delegation in Kiew – Besuch in Moskau geplant

Am Donnerstag traf Selenskyj mit einer hochrangigen US-Delegation unter Leitung von Heeresminister Dan Driscoll zusammen. Driscoll kam Berichten zufolge mit bedeutenden Botschaften aus dem Weißen Haus nach Kiew. Medien meldeten außerdem, dass Driscoll bereits für Ende der kommenden Woche eine Reise nach Moskau plane, um auch mit russischen Regierungsvertretern über die Vorschläge zu sprechen.

Ein Vorschlag mit enormen Konsequenzen

Sollte der US-Plan tatsächlich umgesetzt werden, würde die Ukraine erhebliche territoriale Einbußen hinnehmen müssen. Sie müsste große Teile des Ostens sowie die Krim dauerhaft abtreten. Zugleich fiele das Land politisch in die Rolle eines neutralen Staates – ohne NATO-Perspektive und mit eingeschränkter Souveränität im Bereich der äußeren Sicherheit.

Für Russland wäre ein solcher Deal hingegen ein strategischer Erfolg: territoriale Gewinne, militärische Garantien und eine wirtschaftliche Rückkehr auf die Weltbühne.

Deutschland setzt auf Diplomatie – und warnt vor falschen Hoffnungen

Deutschland betonte erneut, dass dieser amerikanische Vorschlag keinen Automatismus darstelle. Fadevol erklärte, dass jede diplomatische Lösung auf Augenhöhe stattfinden müsse und die Ukraine nicht zu einseitigen Zugeständnissen gezwungen werden dürfe. Berlin wolle nicht, dass Kiew in Gespräche gedrängt werde, bevor es militärisch oder politisch bereit sei.

Zudem warnte die Bundesregierung davor, dass die internationale Gemeinschaft realistisch bleiben müsse: Selbst ein vorläufiges Abkommen könne Jahre an politischen Auseinandersetzungen nach sich ziehen und sei nicht automatisch Garant für dauerhaften Frieden.

Westliche Partner uneins – aber gesprächsbereit

Hinter den Kulissen zeigen sich deutliche Differenzen zwischen den USA und einigen europäischen Staaten. Während Washington offenbar eine pragmatische und schnelle Lösung anstrebt, wollen EU-Staaten wie Deutschland, Frankreich und Polen vermeiden, dass Russland durch ein zu großzügiges Abkommen erneut gestärkt wird.

Dennoch scheint die westliche Diplomatie wieder in Bewegung geraten zu sein. Zum ersten Mal seit Monaten wird über konkrete Verhandlungsmodelle gesprochen – und wenn auch zögerlich, beginnen beide Seiten abzuwägen, ob der Preis des Krieges noch lange tragbar ist.

Fazit

Die USA haben mit ihrem Entwurf eine internationale Debatte angestoßen, die sowohl Chancen als auch Risiken birgt. Für die Ukraine könnte ein solcher Schritt den Weg zu einer De-eskalation ebnen – aber auch zu einem historischen Verlust von Territorium und sicherheitspolitischer Unabhängigkeit führen. Deutschland pocht dabei auf einen diplomatischen Prozess, der keine Seite bevormundet, sondern eine stabile Grundlage für Verhandlungen schaffen soll.


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