Berlin: Kontroverse um Merz’ Forderung zur Reduzierung der Migration junger Ukrainer
Berlin – Die jüngsten Äußerungen von Bundeskanzler Friedrich Merz zur Begrenzung der Zuwanderung junger Ukrainer haben eine lebhafte Debatte in der deutschen Politik ausgelöst. Hintergrund ist der stetige Anstieg junger Geflüchteter aus der Ukraine und die Diskussion darüber, wie Deutschland mit dieser Entwicklung umgehen soll, während der Krieg andauert.
In einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am 13. November 2025 bat Merz darum, „Sicherzustellen, dass insbesondere junge Männer nicht in immer größerer Zahl nach Deutschland ausreisen“. Sie würden in der Ukraine gebraucht, so der Kanzler, „um ihrem Land zu dienen“.
SPD zeigt sich zurückhaltend
Während die Unionsparteien CDU und CSU Merz’ Position unterstützen, reagiert die SPD verhaltener. CSU-Chef Markus Söder hatte zuvor die EU und die Bundesregierung dazu aufgerufen, Kiew stärker unter Druck zu setzen, um die Ausreise junger Ukrainer zu begrenzen. Auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann äußerte ähnliche Forderungen.
Hintergrund: Seit Ende August dürfen Männer zwischen 18 und 22 Jahren die Ukraine legal verlassen – zuvor war dies verboten. Laut dem deutschen Innenministerium stieg die Zahl neu ankommender Männer in dieser Altersgruppe seither von 14.000 auf rund 18.000 pro Woche. Insgesamt leben inzwischen mehr als 1,2 Millionen ukrainische Geflüchtete in Deutschland.
SPD-Politiker Ralf Stegner warnte jedoch davor, junge Ukrainer zu militärischem Dienst zu drängen. Viel wichtiger sei es, „alles zu tun, um diesen Krieg zu beenden“. Auch sollten Geflüchtete weiterhin angemessen unterstützt werden.
Was steckt hinter Merz’ Vorstoß?
Der Außenpolitik-Experte Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) sieht Merz’ Appell sowohl als migrationspolitisches Signal als auch als Versuch, Wahlversprechen einzuhalten. Die Migration aus der Ukraine stelle Deutschland weiterhin vor große Herausforderungen, so Meister. Gleichzeitig spiele auch der politische Druck durch die AfD eine Rolle.
Ein weiterer Faktor ist die Reform des Bürgergeld-Systems: Seit dem 1. April 2025 erhalten neu ankommende Ukrainer nicht mehr das Bürgergeld, sondern Leistungen analog zum Asylbewerberstatus – etwa 120 Euro weniger pro Monat sowie eingeschränkte medizinische Versorgung.
Rechtliche Grenzen einer Einreisesperre
Deutschland kann selbst keine Ausreisesperre verhängen. Ukrainer dürfen sich ohne Visum bis zu 90 Tage im EU-Raum aufhalten, zudem gilt weiterhin der europaweite Schutzstatus bis 2027, der ihnen Arbeit und Aufenthalt ermöglicht. Laut Meister sind saisonale Bewegungen normal: „Mehr Menschen kommen im Winter, manche kehren im Frühjahr zurück.“
Wie reagieren Ukrainer in Deutschland?
Die Aktivistin Iryna Shulikina kritisiert die Forderungen aus Berlin scharf. Die jungen Menschen, über die gesprochen wird, seien meist Schüler oder Studierende, deren Familien weiterhin für sie aufkommen. „Warum sollten sie plötzlich keine Kinder mehr sein, nur weil sie Ukrainer sind?“, so Shulikina. Viele planten ohnehin eine Rückkehr – teilweise nach Jahren der Ausbildung.
Doch nicht alle Experten sind überzeugt. Journalist Winfried Schneider-Deters zweifelt daran, dass die meisten jungen Ukrainer nach Kriegsende tatsächlich zurückkehren werden.
Viele wollen bleiben – zumindest vorerst
Laut einer Studie des ifo-Instituts wären rund 50 Prozent der ukrainischen Geflüchteten grundsätzlich zur Rückkehr bereit – allerdings nur bei stabiler Sicherheitslage, NATO-Garantien und klaren Perspektiven. Eine andere Untersuchung der deutschen BAMF-Behörde zeigt jedoch: 59 bis 69 Prozent der in den Jahren 2022–2024 angekommenen Ukrainer möchten langfristig in Deutschland bleiben.
Genaue Zahlen darüber, wie viele seit 2022 bereits zurückgekehrt sind, fehlen. Schätzungen gehen jedoch von 300.000 bis 400.000 Rückkehrern aus – oder Personen, die in andere EU-Länder weitergezogen sind.
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