EU lockert Verbrenner-Verbot: Berlin setzt auf pragmatischen Mittelweg

Die Bundesregierung hat den jüngsten Kurswechsel der EU-Kommission beim geplanten Verbot von
Verbrennungsmotoren ausdrücklich begrüßt. Aus Sicht Berlins markiert der Vorschlag einen
pragmatischen Mittelweg, der Klimaschutz ambitioniert verfolgt, ohne dabei wirtschaftliche
Realitäten, industrielle Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze zu ignorieren.

Teilrückzug vom Verbrenner-Aus ab 2035

Die Europäische Kommission schlug am Dienstag vor, das bislang vorgesehene vollständige Verbot
neuer Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor ab dem Jahr 2035 teilweise zurückzunehmen. Hintergrund sind
zunehmende wirtschaftliche Schwierigkeiten europäischer Automobilhersteller sowie der Druck aus
mehreren Mitgliedstaaten, allen voran Deutschland.

Noch vor rund drei Jahren hatten sich EU-Staaten und Europäisches Parlament darauf verständigt,
ab 2035 nur noch Neuwagen zuzulassen, die keinerlei CO₂-Emissionen verursachen. Dieser Beschluss
galt lange als Meilenstein der europäischen Klimapolitik – wird nun jedoch neu justiert.

Kein 100-Prozent-Ziel mehr bei CO₂-Reduktion

Kern des neuen Vorschlags ist der Abschied vom Ziel einer vollständigen Emissionsreduktion.
Stattdessen sollen Fahrzeuge künftig bis zu 90 Prozent weniger CO₂ ausstoßen als im Referenzjahr
2021. Damit bleibt ein begrenzter Spielraum für moderne Verbrennungstechnologien bestehen.

Zusätzlich sollen Hersteller verpflichtet werden, verbleibende Emissionen durch klimafreundliche
Maßnahmen auszugleichen – etwa durch den Einsatz von grünem Stahl oder nachhaltigen Kraftstoffen.
Laut EU-Kommission sollen diese Ausnahmeregelungen grundsätzlich für alle Fahrzeugmodelle gelten,
die nach 2035 neu auf den Markt kommen.

Politischer Prüfprozess in Parlament und Mitgliedstaaten

Bevor die Änderungen in Kraft treten können, müssen sowohl das Europäische Parlament als auch die
Mitgliedstaaten den Vorschlägen zustimmen. Beide Institutionen haben dabei die Möglichkeit, den
Entwurf zu verschärfen oder weiter abzuschwächen. Wie lange dieser Entscheidungsprozess dauern
wird, gilt derzeit als offen.

Merz: „Zukunft der Mobilität bleibt elektrisch“

Bundeskanzler Friedrich Merz unterstrich am Dienstag, dass die Lockerung der Regeln kein Abkehr vom
Klimaschutz bedeute. Es sei richtig, dass die EU-Kommission nach klaren Signalen aus Berlin mehr
technologische Offenheit zulasse. Ziel sei es, Klimaziele besser mit Marktgegebenheiten, Industrie
und Beschäftigung zu verbinden.

Gleichzeitig stellte Merz klar, dass der langfristige Kurs nicht infrage stehe:
„Die Zukunft der Mobilität ist und bleibt elektrisch.“ Die neuen Vorschläge würden nun sorgfältig
geprüft, um sicherzustellen, dass Klimaschutz, Innovation und wirtschaftliche Stabilität gemeinsam
vorangebracht werden.

Zwischen Klimazielen und Industrieinteressen

Der Vorstoß der EU zeigt, wie stark die europäische Klimapolitik inzwischen unter dem Druck
konjunktureller Schwäche, globaler Konkurrenz und struktureller Herausforderungen der
Automobilindustrie steht. Für Deutschland als größtem Autoproduzenten Europas ist die Balance
zwischen Transformation und Wettbewerbsfähigkeit von zentraler Bedeutung.

Die kommenden Monate dürften entscheidend dafür sein, ob Europa einen flexibleren,
technologieoffenen Weg einschlägt – oder ob das ursprüngliche Verbrenner-Aus in abgeschwächter
Form doch Bestand haben wird.

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