Donald Trumps Gaza-Plan zwei Jahre nach der „Al-Aqsa-Flut“: Rettungsanker für Netanyahu oder Chance für Gaza?

Zwei Jahre nach dem Ausbruch der Operation „Al-Aqsa-Flut“ hat der US-Präsident Donald Trump einen neuen Plan zur Beendigung des Krieges und zur Verwaltung des Gazastreifens vorgestellt. Der Vorschlag hat die politische Landschaft gespalten: Während einige ihn als Versuch sehen, Benjamin Netanyahu aus der militärischen Sackgasse zu befreien und Israel auf diplomatischem Wege das zu sichern, was es mit Waffen nicht erreichen konnte, betrachten andere ihn als Gelegenheit für die Menschen in Gaza, durchzuatmen, in ihrer Heimat zu bleiben und mit dem Wiederaufbau zu beginnen.

Die öffentliche Debatte konzentriert sich auf den Inhalt des Plans, die Absichten der Beteiligten und das Fehlen verbindlicher Garantien für Israels Umsetzung. Doch viele Kommentare wiederholen alte Missverständnisse, die sich seit zwei Jahren in der internationalen Wahrnehmung des Konflikts verfestigt haben. Diese Mythen prägten bereits die ersten Monate des Krieges und kehren nun, mit Trumps Vorschlag, in den Diskurs zurück.

1. Der Mythos vom 7. Oktober als Anfang des Konflikts

Viele betrachten den 7. Oktober 2023 als Beginn des israelisch-palästinensischen Konflikts. Doch die Wurzeln reichen weit tiefer: Schon 1906 gründeten Palästinenser die Partei Al-Ittihad („Die Union“), um sich friedlich der zionistischen Einwanderung nach Palästina entgegenzustellen. Seitdem hat das palästinensische Volk – auf zivile oder militärische Weise – gegen das Kolonialprojekt Israels Widerstand geleistet.

2. Die falsche Vorstellung vom „unbedachten Angriff“

Kritiker behaupten, die „Al-Aqsa-Flut“ sei ein unkontrollierter militärischer Ausbruch gewesen, den man hätte vermeiden können. Doch diese Sicht blendet aus, dass die palästinensische Führung bereits 1993 den Weg des Friedens gewählt und das Oslo-Abkommen unterzeichnet hatte. Israel jedoch weigerte sich, zentrale Punkte wie Grenzen, Souveränität und den Status Jerusalems umzusetzen, während es gleichzeitig die Siedlungspolitik in der Westbank fortsetzte und Gaza unter strikte Blockade stellte. Für viele Palästinenser wurde klar: Verhandlungen führen zu nichts.

3. Israels Gewalt ist keine neue Erscheinung

Ein weiterer Irrtum besteht in der Annahme, die Brutalität der letzten zwei Jahre sei beispiellos. Tatsächlich ist sie nur eine Fortsetzung dessen, was 2008, 2014 und 2021 geschah: Tausende Tote, zehntausende Verletzte, zerstörte Häuser und zivile Infrastruktur. Der Unterschied besteht nur darin, dass der aktuelle Krieg länger dauert und systematischer geführt wird.

4. Der Krieg als „Reaktion“ Israels

Viele westliche Analysen stellen den israelischen Angriff als bloße Reaktion auf den Angriff der palästinensischen Gruppen dar. Doch Israels militärische Operationen gegen Gaza haben nie aufgehört. Unter dem strategischen Konzept des sogenannten „Rasenschnitts“ („Mowing the Grass“) führt Israel regelmäßig gezielte Tötungen und Angriffe durch, um die Fähigkeiten des Widerstands zu schwächen. Auch in der Westbank sind Palästinenser trotz weitgehender Passivität ständigen Angriffen ausgesetzt.

5. Gaza ist nicht frei – sondern besetzt

Ein grundlegendes Missverständnis besteht darin, dass Israel sich 2005 aus Gaza „zurückgezogen“ habe. In Wahrheit hält Israel den Küstenstreifen durch Blockaden und Luftüberwachung in einem Zustand permanenter Besatzung. Das internationale Recht – insbesondere die Genfer Konvention von 1948 – erkennt das Recht der unterdrückten Völker auf Widerstand an, ein Punkt, den viele Kritiker bewusst ignorieren.

6. Gaza ist kein souveräner Staat

Gaza wird oft fälschlicherweise als „Mini-Staat“ oder „islamisches Emirat“ dargestellt. Diese Sichtweise ignoriert, dass es sich um ein belagertes Gebiet ohne echte staatliche Souveränität handelt. Der Konflikt ist keine klassische „Kriegsführung“ zwischen zwei gleichstarken Parteien, sondern ein asymmetrischer Kampf zwischen einer belagerten Bevölkerung und einer der modernsten Armeen der Welt.

7. Der Angriff war nicht irrational

Einige behaupten, der palästinensische Angriff sei unüberlegt gewesen und habe Israels Innenkrise ignoriert. Doch Netanyahu stand politisch unter enormem Druck: Korruptionsverfahren, Proteste, wachsende Macht der Siedler und die Radikalisierung seiner Koalition. Viele Beobachter vermuten, dass ein israelischer Angriff auf Gaza ohnehin nur eine Frage der Zeit war. Der Widerstand wollte ihm womöglich zuvorkommen und Gefangene nehmen, um Israels Offensive zu blockieren – eine Taktik, die unvorhergesehen eskalierte.

Fazit: Zwei Jahre später

Zwei Jahre nach der „Al-Aqsa-Flut“ hat sich das Bild verändert: Die palästinensische Frage ist wieder ins Zentrum der Weltöffentlichkeit gerückt. Israels Narrative verlieren zunehmend an Glaubwürdigkeit, während eine neue Generation – die Generation Z – weltweit Solidarität mit Gaza zeigt. Israels historische Erzählung, die auf dem Mythos der Selbstverteidigung beruhte, beginnt zu bröckeln. Vielleicht wird Israel eines Tages akzeptieren müssen, was es jahrzehntelang für unmöglich hielt: Gerechtigkeit für Palästina.

Verwandte Artikel

In zahlreichen Analysen wurde auf
Trumps Plan für Gaza
und das kürzlich erreichte
Friedensabkommen zwischen Israel und Hamas
Bezug genommen, besonders im Kontext von Israels innenpolitischen Herausforderungen.
Die Debatte erinnert jedoch stark an die Dynamiken der aktuellen
Koalitionskrise in Berlin unter Merz und Klingbeil
Machtkampf, moralische Dilemmata und der Versuch, innenpolitische Spannungen außenpolitisch zu kanalisieren.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein