Madagaskar im Aufruhr2

Antananarivo – Madagaskar erlebt die größten Proteste seit über einem Jahrzehnt. Tausende Menschen, überwiegend Jugendliche, gehen seit dem 25. September 2025 auf die Straßen, um gegen die Regierung von Präsident Andry Rajoelina zu demonstrieren. Sie fordern den Rücktritt des Staatschefs, dessen Regierung für wirtschaftliches Versagen, Stromausfälle und Wasserknappheit verantwortlich gemacht wird.

Jugendbewegung fordert Wandel

Die Demonstrationen begannen zunächst friedlich in der Hauptstadt Antananarivo, nachdem zwei Oppositionspolitiker verhaftet worden waren. Doch die Spannungen eskalierten rasch, als Sicherheitskräfte Tränengas und Gummigeschosse gegen Demonstrierende einsetzten. Laut der UNO kamen mindestens 22 Menschen ums Leben, Hunderte wurden verletzt.

Die Protestierenden, die sich selbst als Teil der „Generation Z Madagaskars“ bezeichnen, organisieren ihre Aktionen über soziale Medien. Auf Facebook und X (ehemals Twitter) rufen sie zu einem 24-Stunden-Streik auf. Ihr Motto: „Wir geben nicht auf – wir kehren stärker zurück“.

Regierungskrise trotz Kabinettsauflösung

Präsident Rajoelina versuchte, die Lage zu entschärfen, indem er die gesamte Regierung entließ. In einer Fernsehansprache gab er zu, dass Fehler gemacht wurden, und bat die Bevölkerung um Vergebung. Dennoch bleibt der Druck hoch – viele sehen die Entlassung als taktisches Manöver, nicht als echten Reformschritt.

Er erklärte: „Ich habe die Wut gehört und das Leid gespürt. Wir müssen jetzt gemeinsam Lösungen finden.“ Doch die Protestbewegung zeigt sich unbeeindruckt und fordert konkrete Taten – unter anderem Neuwahlen, höhere Löhne und ein Ende der Polizeigewalt.

Armut und Stromausfälle: Ursachen der Wut

Madagaskar gilt als eines der ärmsten Länder der Welt. Laut Weltbank leben rund 75 % der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Die Lebenshaltungskosten steigen, während Strom- und Wasserversorgung regelmäßig zusammenbrechen. Viele junge Menschen sehen keine Perspektive mehr im Land.

Die Krise hat auch zu massiven Plünderungen geführt: In Antananarivo und anderen Städten wie Toliara und Antsiranana wurden Geschäfte, Banken und Regierungsgebäude angegriffen. Die Sicherheitskräfte reagierten mit Gewalt, was die Empörung weiter anheizte.

Proteste breiten sich landesweit aus

In mehreren Städten, darunter Mahajanga, Fianarantsoa und Toliara, versammelten sich Tausende Demonstrierende. Sie skandierten: „Rajoelina muss gehen!“ und „Wir wollen Wasser, Licht und Zukunft!“. Viele von ihnen tragen Schilder mit Zitaten aus Protestbewegungen in Kenia und Nepal, die sie inspiriert haben.

Auch internationale Beobachter sehen Parallelen zu anderen Jugendbewegungen in Afrika. Ähnliche Unruhen hatte es im Jahr zuvor in Marokko gegeben, wo die Bevölkerung unter ähnlichen sozialen Spannungen litt. (Lesen Sie dazu auch: Proteste in Marokko 2025 – Freiheit und Reformen).

Rajoelinas Reaktion: „Kein Staatsstreich“

In einer Rede auf Facebook wies Rajoelina die Rücktrittsforderungen zurück und sprach von einem „ausländisch gesteuerten Versuch, das Land zu destabilisieren“. Er behauptete, einige Oppositionsparteien würden die Proteste nutzen, um einen Staatsstreich zu inszenieren, während er sich bei der UN-Vollversammlung in New York befand.

„Niemand profitiert von der Zerstörung unseres Landes“, sagte Rajoelina. „Ich bin hier, um zuzuhören und Lösungen zu finden.“ Doch für viele Demonstrierende sind diese Worte zu spät gekommen – sie verlangen reale Reformen, nicht nur Versprechen.

Internationale Reaktionen

Die Vereinten Nationen, die Afrikanische Union und die Europäische Union haben zur Zurückhaltung aufgerufen und fordern unabhängige Untersuchungen zu den Todesfällen. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International sprechen von einer „unverhältnismäßigen Anwendung von Gewalt“ durch die Sicherheitskräfte.

Inzwischen wächst die Sorge, dass die politische Instabilität in Madagaskar auf andere Länder der Region übergreifen könnte. Einige Analysten warnen, dass die Jugendbewegung zu einem neuen Symbol für afrikanischen Protestgeist werden könnte. (Lesen Sie dazu auch: Afrikas Jugendbewegungen 2025 – Aufstand der Generation Z).

Die digitale Revolution der Jugend

Besonders bemerkenswert ist die Rolle sozialer Medien. Plattformen wie Facebook, TikTok und Telegram dienen nicht nur zur Organisation, sondern auch als Mittel der politischen Bildung. Junge Aktivisten veröffentlichen Livestreams, um Polizeigewalt zu dokumentieren und internationale Aufmerksamkeit zu gewinnen.

Ein Aktivist erklärte gegenüber einem lokalen Radiosender: „Unsere Generation hat keine Angst mehr. Wir nutzen Technologie, um unsere Stimme hörbar zu machen – gegen Korruption und Armut.“

Hintergrund: Rajoelinas politische Laufbahn

Andry Rajoelina, früher Bürgermeister von Antananarivo, kam 2009 durch einen Militärputsch an die Macht. Nach einer Phase der Übergangsregierung gewann er die Präsidentschaftswahlen 2018 und wurde 2023 wiedergewählt. Viele werfen ihm jedoch autoritäre Tendenzen und eine zunehmende Entfremdung von der Bevölkerung vor.

Beobachter erinnern daran, dass Madagaskar trotz seiner Bodenschätze – Nickel, Vanadium und seltene Erden – kaum Wohlstand erzeugt. Die wirtschaftlichen Gewinne landen oft bei politischen Eliten oder ausländischen Investoren, während die breite Bevölkerung leer ausgeht.

Fazit: Eine Generation im Aufbruch

Die Proteste in Madagaskar 2025 sind mehr als nur ein Aufschrei gegen schlechte Lebensbedingungen – sie sind Ausdruck eines tiefen gesellschaftlichen Wandels. Eine neue Generation fordert Mitsprache, Transparenz und Würde. Die „Generation Z“ des Inselstaats ist vernetzt, mutig und politisch wacher als je zuvor.

Ob die Regierung Rajoelina diesen Druck übersteht, bleibt abzuwarten. Doch eines ist klar: Die Jugend Madagaskars hat ihre Stimme gefunden – und sie wird nicht mehr schweigen.

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