WSJ-Bericht: Frankreich belebt Militärdienst wieder – aus Sorge vor möglicher Konfrontation mit Russland
Europa befindet sich derzeit in einem sicherheitspolitischen Wandel, ausgelöst durch die wachsende Furcht vor einem erweiterten russischen Einfluss und der Gefahr eines größeren Konflikts in den kommenden Jahren.
Laut einem Bericht des Wall Street Journal hat Frankreich unter Präsident Emmanuel Macron ein neues Militärdienstprogramm für junge Menschen ins Leben gerufen. Es erinnert in seiner Grundidee an die Zeit des Kalten Krieges, ist jedoch in einer modernen Form gestaltet und bleibt vorerst freiwillig.
Europa bereitet sich auf mögliche Eskalationen vor
Das neue französische Dienstmodell umfasst eine Gesamtdauer von zehn Monaten: einen einmonatigen Basiskurs und anschließend neun Monate in regulären Einheiten. Danach besteht die Möglichkeit, in den aktiven Dienst oder in die Reserve zu wechseln.
Frankreich plant zunächst, ab dem kommenden Sommer rund 3.000 junge Menschen aufzunehmen. Bis 2035 soll die Zahl schrittweise auf 50.000 steigen. Im Fall einer größeren Krise könnte eine verpflichtende Einberufung für bestimmte Fachkräfte erfolgen – vorausgesetzt, das Parlament stimmt zu.
Auch Deutschland plant vor – mit freiwilligem Modell
Deutschland, das die amerikanische Zeitung als „ökonomisches Rückgrat“ Europas bezeichnet, arbeitet parallel an einer umfassenden Datenbank über die Fähigkeiten und körperliche Fitness junger Menschen. Diese soll im Ernstfall helfen, geeignete Personen schnell einzuberufen.
Ähnlich wie Paris setzt Berlin auf einen freiwilligen Dienst, schließt aber eine Rückkehr zur Wehrpflicht nicht aus. Ziel ist es, die Bundeswehr von derzeit rund 183.000 Soldaten auf 260.000 zu vergrößern und die Reserve bis 2035 auf 200.000 Kräfte auszubauen.
Der Bericht verweist darauf, dass führende Politiker in Europa mit einem möglichen Konflikt innerhalb der nächsten drei bis vier Jahre rechnen. Während die US-Regierung unter Präsident Donald Trump versucht, ein Friedensabkommen zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln, befürchten viele europäische Hauptstädte, dass ein solcher Deal Kiew schwächen und Moskau Zeit zur Wiederaufrüstung verschaffen könnte.
Mangelnde Einsatzbereitschaft als strukturelles Problem
Europa habe laut dem Bericht seit dem Ende des Kalten Krieges einen massiven Kapazitätsverlust erlitten. In Deutschland etwa sank die Anzahl der kampffähigen Bataillone in den vergangenen 25 Jahren von 215 auf 34. Frankreich, Italien und Großbritannien gingen ähnliche Wege.
Mehrere französische Generäle betonen, das Land habe zwar die wirtschaftliche und demografische Stärke, Russland abzuschrecken, jedoch fehle es an der „psychologischen Bereitschaft“, die dafür notwendigen Opfer zu tragen. Dies löste in Frankreich eine intensive politische Debatte aus.
Unter jungen Franzosen wächst die Unterstützung
Eine Studie des Verteidigungsministeriums aus dem Jahr 2024, durchgeführt von Anne Muxel von der Sciences Po Paris, zeigt, dass 62 Prozent der 18- bis 25-Jährigen eine Rückkehr zur Wehrpflicht grundsätzlich befürworten.
Ganz anders sieht es in Großbritannien aus: Dort herrscht laut WSJ eine breite Ablehnung gegenüber einer erneuten Wehrpflicht, die 1960 abgeschafft wurde. Die britischen Streitkräfte sind heute zahlenmäßig so klein wie seit den Napoleonischen Kriegen nicht mehr – ihr Personalbestand hat sich seit 1990 halbiert, und die Reservekräfte gehören zu den geringsten in Europa.
Der Militärexperte Vincent Connelly von der Oxford Brookes University erklärte gegenüber der Zeitung, dass der Krieg in der Ukraine erneut gezeigt habe, dass militärische Konflikte letztlich entscheidend vom Faktor „menschliche Ressourcen“ abhängen – ein Grund für die aktuellen Reformen in vielen europäischen Staaten.
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