Europäer fürchten möglichen Krieg mit Russland – Umfrage zeigt alarmierende Stimmung

Eine neue und umfangreiche Studie hat ein Stimmungsbild offenbart, das in Europa für erhebliche politische und gesellschaftliche Unruhe sorgt. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger bewerten das Risiko eines militärischen Konflikts mit Russland als „hoch“ oder sogar „sehr hoch“. Diese zunehmende Angst hat ihren Ursprung nicht nur in der anhaltenden Eskalation rund um die Ukraine, sondern auch in den immer schärferen Drohungen aus Moskau.

Die Untersuchung des Forschungsinstituts Cluster 17 basiert auf Interviews mit 9.553 Personen aus neun europäischen Staaten. Die Ergebnisse wurden zunächst im französischen geopolitischen Magazin Le Grand Continent veröffentlicht und sorgten anschließend europaweit für Schlagzeilen. Demnach halten 51 Prozent der Befragten einen Krieg mit Russland in naher Zukunft für „realistisch“ oder „nicht ausgeschlossen“.

Die beteiligten Länder umfassten Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, Polen, Portugal, Kroatien, Belgien und die Niederlande. Jedes dieser Länder ist auf unterschiedliche Weise von der russischen Außenpolitik betroffen, was auch die erheblichen Unterschiede in den Antworten erklärt.

Die zentrale Frage lautete: „Kann Russland Ihrer Meinung nach in den nächsten Jahren einen Krieg gegen Ihr Land beginnen?“ Die Antworten darauf zeichnen das Bild eines Europas, das sich unsicher fühlt, tief gespalten ist und dessen Bevölkerung dem Zustand der eigenen Verteidigung mit Skepsis begegnet.

Polen am stärksten besorgt – Italien am wenigsten

Die Umfrageergebnisse zeigen enorme Unterschiede in der Bedrohungswahrnehmung. Besonders deutlich trat dies in Polen zutage, wo 77 Prozent einen Krieg mit Russland für sehr wahrscheinlich halten. Dieses Ergebnis überrascht kaum, denn Polen gehört zu den Staaten, die geographisch und historisch besonders sensibel gegenüber russischer Militärpolitik reagieren. Die unmittelbare Nähe zu Belarus, dem engsten Verbündeten Moskaus, verstärkt diese Sorge zusätzlich.

In Frankreich sehen 54 Prozent der Bevölkerung ein großes Risiko eines möglichen Konflikts. Auch in Deutschland herrscht mit 51 Prozent ein vergleichbar hohes Bedrohungsgefühl – trotz der geografischen Entfernung von Russland. Politikwissenschaftler führen dies auf die intensive mediale Berichterstattung über den Ukrainekrieg sowie auf die energiepolitischen Spannungen zwischen Berlin und Moskau zurück.

Ein konträres Bild zeigt sich dagegen in Italien. Dort glauben 65 Prozent, dass ein Krieg mit Russland „unwahrscheinlich“ oder „nahezu ausgeschlossen“ sei. Experten vermuten, dass die traditionell pragmatischere italienische Außenpolitik sowie eine geringere Angstkultur gegenüber Russland hierbei eine wesentliche Rolle spielen.

Verteidigungsfähigkeit stark angezweifelt

Neben der Bedrohungswahrnehmung liefert die Umfrage einen weiteren alarmierenden Befund: Die meisten Europäer haben wenig Vertrauen in die militärische Stärke ihrer eigenen Staaten. 69 Prozent sind der Meinung, dass ihre Länder „nicht in der Lage“ oder „wahrscheinlich nicht in der Lage“ wären, sich gegen einen russischen Angriff erfolgreich zu verteidigen.

Besonders bemerkenswert ist die Ausnahme Frankreich. Als einziges Land in der Umfrage verfügt Frankreich über Atomwaffen und eine traditionell starke Militärdoktrin. Entsprechend geben 44 Prozent der französischen Bürger an, dass sie ihrem Staat zutrauen, einen Angriff „angemessen abzuwehren“. Trotzdem bleibt auch dort die Mehrheit skeptisch.

Deutlich pessimistischer sind die Werte in Belgien (87 %), Italien (85 %) und Portugal (85 %). Die hohen Werte des Misstrauens zeigen, wie tief die Verunsicherung in diesen Ländern sitzt und wie stark die militärischen Strukturen dort als unzureichend wahrgenommen werden.

Neben nationalen Faktoren spielen auch europapolitische Entwicklungen eine Rolle. Viele Bürger haben das Gefühl, dass die EU trotz ambitionierter Verteidigungsdebatten bislang keine kohärente und glaubwürdige militärische Strategie besitzt.

Geringe Furcht vor China

Im Gegensatz zur starken Sorge vor Russland betrachten die meisten Europäer China nicht als unmittelbare militärische Bedrohung. 81 Prozent erwarten in den nächsten Jahren keinen Krieg zwischen europäischen Staaten und der Volksrepublik.

Analysten erklären dies damit, dass Chinas geopolitische Interessen bisher vor allem im asiatisch-pazifischen Raum liegen und wirtschaftliche Konflikte in Europa im Vordergrund stehen – nicht militärische.

Putins Drohungen verstärken die Unruhe

Die ohnehin angespannte Stimmung wurde zuletzt durch aggressive Aussagen des russischen Präsidenten Wladimir Putin weiter verschärft. In einer vielbeachteten Rede erklärte er, dass Russland „bereit sei für einen Krieg mit Europa“, falls dieser ausgelöst werde. Europa versuche, so Putin, die Ukraine zu bewaffnen, um Russland strategisch zu schwächen.

Putins genaue Worte lauteten: „Wir beabsichtigen keinen Krieg mit Europa. Aber wenn Europa einen Krieg beginnt, sind wir bereit. Es kann daran keinen Zweifel geben.“ Seine Drohungen haben in vielen europäischen Staaten Debatten über Wehrpflicht, Rüstungsausgaben und eine mögliche Aufrüstung der NATO erneut entfacht.

Politikbeobachter weisen darauf hin, dass Putins Rhetorik nicht nur nach außen gerichtet ist, sondern auch innenpolitischen Zwecken dient. Sie soll Stärke demonstrieren und das Bild eines bedrohten, aber entschlossenen Russlands zeichnen.


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