El Fasher im Chaos: Sudan versinkt im Bürgerkrieg – Stadt vor humanitärer Katastrophe

El Fasher, Sudan – Die Stadt El Fasher im Westen des Sudan steht im Mittelpunkt einer der schwersten Eskalationen seit Beginn des Bürgerkriegs zwischen der sudanesischen Armee (SAF) und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF). Laut Berichten der Vereinten Nationen droht eine vollständige humanitäre Katastrophe. Tausende Zivilisten sind eingeschlossen, während Hilfsorganisationen den Zugang verlieren.

Hintergrund: Ein jahrzehntelanger Konflikt flammt erneut auf

Die Region Darfur war schon in den frühen 2000er-Jahren Schauplatz brutaler Gewalt. Nun hat sich der Konflikt in einer neuen, gefährlicheren Form wieder entzündet. Die RSF, einst aus Dschandschawid-Milizen hervorgegangen, kämpft gegen die reguläre Armee um die Kontrolle über strategische Städte – und El Fasher ist das letzte große urbanisierte Zentrum, das noch von der Armee gehalten wird.

Seit Anfang Oktober berichten Beobachter von täglichen Gefechten, Luftangriffen und Artilleriebeschuss. Wohnviertel, Märkte und Krankenhäuser wurden schwer beschädigt. Laut UN-Schätzungen sind mehr als 800.000 Menschen in der Stadt und Umgebung eingeschlossen – ohne ausreichenden Zugang zu Wasser, Strom oder medizinischer Versorgung.

Die strategische Bedeutung von El Fasher

El Fasher gilt als Tor zum nördlichen Darfur und als logistischer Schlüsselpunkt. Sollte die Stadt vollständig an die RSF fallen, könnte dies das Machtgleichgewicht im Sudan erheblich verändern. Viele Analysten betrachten El Fasher als Symbol der staatlichen Kontrolle – ihr Verlust würde den Zusammenbruch der Armee im Westen des Landes bedeuten.

Die RSF hat laut Augenzeugen systematisch Straßen blockiert, Versorgungslinien unterbrochen und die Stadt von allen Seiten belagert. Gleichzeitig versuchen lokale Milizen und Stammesgruppen, ihre Gebiete zu verteidigen – oft mit verheerenden Konsequenzen für Zivilisten.

Humanitäre Lage: Hunger, Angst und Verzweiflung

Die humanitäre Situation in El Fasher ist laut UN-Berichten „apokalyptisch“. Das Krankenhaus der Stadt, das zuvor rund 600 Patienten versorgen konnte, ist weitgehend zerstört. Ärzte berichten, dass sie ohne Betäubungsmittel operieren müssen. Leichen liegen auf den Straßen, während Familien ihre Angehörigen in improvisierten Gräbern beisetzen.

Hilfsorganisationen wie das Welternährungsprogramm (WFP) und Ärzte ohne Grenzen (MSF) warnen vor einem massiven Anstieg von Hunger und Krankheiten. Lebensmittelpreise sind um mehr als 400 Prozent gestiegen. Viele Familien überleben nur durch den Verzehr von Tierfutter oder durch das Sammeln von Gras und Wurzeln.

Politische Reaktionen und internationale Kritik

Die internationale Gemeinschaft reagiert mit wachsender Besorgnis. Die UNO forderte eine sofortige Waffenruhe und den ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe. Doch beide Konfliktparteien werfen sich gegenseitig vor, die Friedensverhandlungen zu sabotieren.

Die Afrikanische Union (AU) versucht derzeit, in Addis Abeba neue Vermittlungsgespräche zu initiieren. Doch die Fronten sind verhärtet: Die Armee besteht auf die Entwaffnung der RSF, während diese ihren Anspruch auf politische Teilhabe bekräftigt. In Khartum und Port Sudan wächst zudem der Druck der Zivilgesellschaft, die einen Waffenstillstand fordert – bislang vergeblich.

Zeugenberichte aus El Fasher

„Wir haben Angst, jeden Tag zu sterben“, sagt die Lehrerin Fatima Ahmed in einem Telefoninterview. „Es gibt keine Sicherheit, keine Nahrung und kein Wasser. Wir leben im Dunkeln und hören nur Explosionen.“ Ein anderer Bewohner berichtet, dass selbst Schulen und Moscheen zu Zielscheiben geworden seien.

Ein Bericht von „Human Rights Watch“ dokumentiert systematische Angriffe auf Zivilisten durch beide Seiten, darunter Plünderungen, Entführungen und gezielte Bombardierungen. Besonders Frauen und Kinder seien von sexualisierter Gewalt betroffen.

Reaktion der sudanesischen Armee

Die Armee erklärte, sie habe Verstärkungen in Richtung El Fasher geschickt, um die Stadt „um jeden Preis“ zu halten. General Abdel Fattah al-Burhan sprach von einem „Kampf um die nationale Einheit“. Doch viele Soldaten sind erschöpft, schlecht ausgerüstet und demoralisiert.

Interne Quellen berichten zudem von zunehmenden Spannungen innerhalb der Armeeführung. Einige Kommandeure fordern Verhandlungen, während andere einen totalen militärischen Sieg anstreben – auch um den Preis massiver ziviler Verluste.

Die Rolle der RSF und ihre ausländische Unterstützung

Die RSF wird häufig verdächtigt, Unterstützung von externen Akteuren zu erhalten, insbesondere durch Waffenlieferungen aus Libyen und dem Tschad. Ihr Anführer, Mohamed Hamdan Dagalo, genannt „Hemedti“, präsentiert sich als Verteidiger der „neuen Ordnung“ im Sudan, lehnt jedoch internationale Kontrolle strikt ab.

Seine Truppen gelten als brutal, aber hochmobil und effektiv. In den vergangenen Monaten haben sie mehrere strategische Stützpunkte eingenommen – darunter auch ehemalige UN-Stützpunkte in Darfur. Die Einnahme von El Fasher wäre für Hemedti ein propagandistischer Triumph.

Die internationale Dimension des Konflikts

Beobachter warnen, dass der Sudan in einen langwierigen Stellvertreterkrieg abzurutschen droht. Nach Informationen westlicher Geheimdienste fließen über Nachbarländer zunehmend Waffen ins Land. Während westliche Staaten Sanktionen gegen RSF-nahe Akteure prüfen, setzt Russland auf eine Ausweitung seiner wirtschaftlichen Präsenz – insbesondere über das private Militärunternehmen Wagner, das bereits in Afrika aktiv ist.

China und die Golfstaaten hingegen versuchen, wirtschaftliche Stabilität zu sichern, um ihre Investitionen im Rotmeergebiet zu schützen. Diese geopolitischen Interessen machen eine schnelle Friedenslösung unwahrscheinlich.

Fazit: El Fasher als Symbol eines zerfallenden Staates

El Fasher steht heute exemplarisch für den Zustand des Sudan: ein Land, das zwischen Machtkämpfen, Hunger und internationaler Gleichgültigkeit zerrieben wird. Der Bürgerkrieg hat nicht nur Hunderttausende Menschenleben gekostet, sondern auch das Vertrauen in eine politische Zukunft zerstört.

Während die Welt auf andere Krisen blickt, bleibt El Fasher ein Mahnmal für das Versagen der internationalen Gemeinschaft, rechtzeitig zu handeln. Sollte die Stadt fallen, droht Darfur – und mit ihm der gesamte Sudan – in ein neues Zeitalter des Chaos zu stürzen.


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