AfD zwischen Brüssel und Moskau: Das stille Netzwerk hinter Europas Spaltung

Hinter verschlossenen Türen, fernab öffentlicher Protokolle und parlamentarischer Transparenz, entsteht in Brüssel ein politisches Machtgefüge, das selbst innerhalb der AfD Misstrauen auslöst. Im Zentrum: ein Professor, ein Ex-Militär – und eine ideologische Achse, die sich auffallend präzise mit den strategischen Interessen des Kremls deckt.

Ein Büro, viele Fragen

Es ist kein gewöhnliches Abgeordnetenbüro, das sich unweit der EU-Institutionen befindet. Hier arbeiten zwei Männer, deren politische Agenda weit über parteiinterne Programmarbeit hinausreicht. Innerhalb der AfD wird zunehmend geflüstert, gewarnt – manche sprechen offen von einem Sicherheitsrisiko.

Der Europaabgeordnete Hans Neuhoff präsentiert sich nach außen als akademischer Theoretiker, als ruhiger Analyst geopolitischer Ordnungen. Doch intern sorgt er für Unruhe. Aussagen, die russische Kriegsverbrechen in der Ukraine als „Propaganda“ abtun, fallen nicht in Interviews – sondern in internen Gremien, abgeschottet von Öffentlichkeit und Presse.

„Informationen aus Geheimdienstkreisen“

Besonders brisant wird es, als Neuhoff behauptet, über verlässliche Informationen aus Geheimdienstkreisen zu verfügen. Für viele Parteikollegen ist dies der Moment, in dem Skepsis in offene Sorge umschlägt. Woher stammen diese Informationen? Und welche Kanäle werden genutzt?

Der Mann an seiner Seite: Sergej Erler

Neuhoff agiert nicht allein. Sein engster Mitarbeiter, Sergej Erler, bringt eine Biografie mit, die selbst erfahrene Sicherheitsexperten aufhorchen lässt. Geboren in Russland, ausgebildet an der Moskauer Eliteuniversität MGIMO, später Offizier der Bundeswehr – und schließlich OSZE-Beobachter in einem der sensibelsten Konfliktgebiete Europas.

Während seiner Zeit in Luhansk fungierte Erler als Verbindungsoffizier zu prorussischen Separatisten. Eine Rolle, die absolute Neutralität erfordert – und genau hier beginnen die Zweifel. Ehemalige Kollegen berichten von ungewöhnlicher Nähe zu russischen Akteuren, von Kontakten, die über das dienstlich Erforderliche hinausgingen.

Sicherheitsbedenken und stille Versetzungen

Offiziell wird wenig bestätigt. Inoffiziell heißt es, Erler sei aus Sicherheitsgründen versetzt worden. Später scheitert offenbar eine Sicherheitsüberprüfung bei seiner Rückkehr zur Bundeswehr. Auch sein früher Abbruch einer EU-Mission in Georgien wirft Fragen auf.

Dennoch: Fachlich gilt Erler als kompetent, strukturiert, effizient. Genau diese Kombination – Professionalität gepaart mit klarer ideologischer Ausrichtung – macht ihn in den Augen vieler so gefährlich.

Die programmatische Umformung der AfD

Während sich große Teile der Partei auf Wahlkämpfe und mediale Provokationen konzentrieren, arbeiten Neuhoff und Erler im Hintergrund an der ideologischen DNA der AfD. Ausschüsse, Fachgremien, Programmkommissionen – dort, wo Inhalte entstehen, sind sie präsent.

Ihre Vision geht weit über einen EU-Austritt hinaus. Sie zielt auf die vollständige Auflösung der Europäischen Union. Ersetzt werden soll sie durch eine lose „europäische Wirtschafts- und Interessengemeinschaft“ – ein Konzept, das erstaunlich deckungsgleich mit russischen Vorstellungen einer multipolaren Weltordnung ist.

Multipolare Welt statt liberaler Ordnung

Zentrale Begriffe wie „Großräume“, „Souveränität“ und „Anti-Universalismus“ ziehen sich durch Neuhoffs Texte. Diese Denkmuster erinnern nicht zufällig an Carl Schmitt – und finden sich heute gleichermaßen in Moskau, Peking und Teilen der amerikanischen Rechten wieder.

Die Ukraine erscheint in diesem Weltbild nicht als souveräner Staat, sondern als „neutraler Brückenraum“. Der russische Angriffskrieg wird sprachlich relativiert, Sanktionen gelten als „wirtschaftlicher Selbstmord Europas“.

Riesa, Magdeburg und der lange Marsch

Der erste große Versuch, diese Ideen offen durchzusetzen, scheitert 2022 in Riesa. Zu frisch sind die Bilder aus Butscha, zu groß die Angst vor öffentlicher Ächtung. Doch das Scheitern ist nur taktisch.

Ein Jahr später, in Magdeburg, werden zentrale Inhalte nahezu wortgleich ins EU-Wahlprogramm übernommen – nur rhetorisch abgeschwächt. Der Kern bleibt: EU nicht reformierbar, Annäherung an Russland, Ablehnung militärischer Unterstützung für die Ukraine.

Der persönliche Aufstieg

Parallel dazu steigt Neuhoff selbst auf. Listenplatz 8 sichert ihm den Einzug ins Europaparlament. In Brüssel erhält er Zugang zu sicherheitsrelevanten Ausschüssen – ein Umstand, der in diplomatischen Kreisen mit wachsender Sorge beobachtet wird.

Brüssel als Scharnier nach Moskau

Seit 2024 intensivieren sich die Kontakte. Videokonferenzen mit Abgeordneten der russischen Duma, Reisen nach Sotschi, Treffen mit kremlnahen Akteuren – all das geschieht trotz interner Parteiwarnungen.

Besonders heikel: der Austausch mit russischen Politikern, die offen fordern, Sanktionen aufzuheben und Energieimporte wieder aufzunehmen. Forderungen, die sich nahezu deckungsgleich in AfD-Reden im EU-Parlament wiederfinden.

Mehr zu den geopolitischen Hintergründen europäischer Sicherheitsdebatten finden Sie hier:
Russland, EU-Truppen und die Ukraine

Ein größeres europäisches Bild

Die Aktivitäten des Duos fallen in eine Phase massiver europäischer Umbrüche: Debatten über Friedenstruppen, eingefrorene russische Vermögen und neue Sicherheitsarchitekturen prägen die Agenda.

Einordnung zur britischen Rolle im Ukraine-Konflikt:
Großbritanniens Vorbereitung auf Friedenstruppen

Hintergrund zur EU-Finanzpolitik gegenüber Russland:
EU-Gipfel und russische Vermögenswerte

Fazit: Ideologie, Einfluss, Risiko

Was sich in Brüssel abspielt, ist kein Einzelfall politischer Provokation. Es ist ein langfristiges Projekt: die programmatische Verschiebung einer deutschen Partei – und über sie hinaus – die Schwächung der europäischen Ordnung.

Neuhoff liefert die Theorie, Erler die Praxis. Gemeinsam nutzen sie demokratische Strukturen, um eine Agenda voranzutreiben, die genau jene Ordnung untergräbt, die ihnen Zugang, Ressourcen und Einfluss ermöglicht.

Ob Institutionen, Sicherheitsbehörden und politische Öffentlichkeit rechtzeitig reagieren, bleibt offen. Sicher ist nur: Die Debatte über Einfluss, Loyalität und europäische Sicherheit hat gerade erst begonnen.

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