Musikunterricht in Hamburg: Fakten gegen Gerüchte über angebliches Verbot

In den letzten Wochen verbreiteten sich auf sozialen Medien weitreichende Behauptungen, dass Musikunterricht an öffentlichen Schulen in Hamburg aufgrund von Ablehnung durch muslimische Schülerinnen und Schüler eingestellt worden sei. Zahlreiche Accounts, sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch, teilten ein Video aus einem Fernsehbericht, das als vermeintlicher Beweis für das angebliche Verbot dienen sollte. Dieses Video erzielte Hunderttausende Aufrufe und löste zahlreiche kontroverse Kommentare aus, die sich gegen Muslime richteten.

Ursprung des Videos

Das betreffende Video zeigt Ausschnitte eines Berichts eines deutschen Senders, in dem über angebliche Vorwürfe berichtet wird, dass muslimische Schülerinnen und Schüler den Musikunterricht ablehnen würden, weil sie diesen als „haram“ ansehen. Der Beitrag trägt den Titel „Muslime bedrohen ihre Mitschüler“ und wurde fälschlicherweise als Beleg für ein offizielles Verbot von Musikunterricht interpretiert.

Das Video begann auf einem Social-Media-Account namens „Raeubertochtah“ am 28. September zu kursieren. Es trug die irreführende Überschrift: „Musikunterricht in Hamburg ist unmöglich, weil Singen im Islam verboten ist.“

Reaktionen und politische Instrumentalisierung

Die Verbreitung des Videos löste eine Welle von Hasskommentaren gegen Muslime aus. Viele Nutzer forderten, dass muslimische Familien sich den Gepflogenheiten in Deutschland anpassen oder das Land verlassen sollten. Andere spekulierten, dass Schulen gezwungen werden könnten, Gebetsräume für muslimische Schülerinnen und Schüler einzurichten.

Zudem griffen rechtsextreme Accounts das Video auf und nutzten es, um antimuslimische Narrative zu verbreiten. Unter ihnen war ein Account namens „Dr. Maalouf“, der wiederholt Inhalte teilt, die mit rechtsextremen und israelfeindlichen Narrative verbunden sind. Der Account veröffentlichte das Video mit dem Kommentar: „In Hamburg sind Musikstunden (Gesang, Klavier, Gitarre) in öffentlichen Schulen nicht mehr erlaubt, weil Musik im Islam ‚haram‘ ist. Das Durchsetzen dieser Stunden wäre Islamophobie. Was meint ihr dazu?“

Die Faktenlage

Eine Überprüfung durch das Recherche-Team von „Al Jazeera“ zeigte jedoch, dass das Video aus einem älteren Bericht der deutschen Fernsehstation „Welt“ vom 25. Juni stammt. Das Originalvideo mit einer Laufzeit von über drei Minuten behandelt lediglich Fälle, in denen einige muslimische Schülerinnen und Schüler den Musikunterricht ablehnen.

Im Bericht äußerte Sandro Kappe, Mitglied des Hamburger Parlaments, dass Eltern politische Lösungen fordern, da die Situation so nicht fortbestehen könne. Es gab jedoch keine Ankündigung, dass Musikunterricht offiziell abgeschafft oder verboten wurde.

Zusätzlich bestätigt die Webseite des staatlichen Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen in Hamburg, dass Musikstunden weiterhin in allen Schulstufen stattfinden. Das Angebot an Musikunterricht wurde kontinuierlich beibehalten, und es existieren keine offiziellen Mitteilungen über ein Verbot.

Statistische Einordnung

Laut einer Studie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge aus dem Jahr 2021 leben derzeit zwischen 5,3 und 5,6 Millionen Muslime in Deutschland. Dies entspricht etwa 6,4 % bis 6,7 % der Gesamtbevölkerung. Die Zahl muslimischer Schülerinnen und Schüler in Hamburg ist entsprechend hoch, dennoch zeigt die Praxis, dass der Musikunterricht für alle Schülerinnen und Schüler weiterhin integraler Bestandteil des Lehrplans ist.

Gesellschaftliche Debatte

Die Fehlinformationen über angebliche Musikverbote zeigen die Auswirkungen von Social Media auf die öffentliche Meinung. Fehlinformationen können schnell verbreitet werden und zu gesellschaftlicher Polarisierung führen. Die Diskussion über die Integration muslimischer Schülerinnen und Schüler wird dadurch unnötig aufgeheizt und kann Ressentiments verstärken.

Fachleute betonen die Bedeutung von Bildung, Dialog und Faktenüberprüfung, um die Integration zu fördern und Diskriminierung zu verhindern. Lehrpläne in Hamburg beinhalten weiterhin Musikunterricht, wobei kulturelle Sensibilität berücksichtigt wird, ohne dass Grundrechte oder Bildungschancen beschnitten werden.

Fazit

Die weit verbreiteten Behauptungen, Hamburg habe den Musikunterricht an öffentlichen Schulen für muslimische Schülerinnen und Schüler verboten, entbehren jeder Grundlage. Der Musikunterricht bleibt fester Bestandteil des Schulsystems, und die Berichte über angebliche Verbote basieren auf Fehlinterpretationen eines älteren Fernsehberichts.

Diese Fälle unterstreichen die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung von Nachrichten, insbesondere wenn sie über soziale Medien verbreitet werden. Bildungseinrichtungen und Behörden sind aufgefordert, transparent zu kommunizieren und Fehlinformationen entgegenzuwirken, um die gesellschaftliche Harmonie zu wahren.

Weitere Informationen zu Bildung und Schule in Deutschland finden Sie hier:
Deutschlands Bildungsreformen und Schulpolitik 2025.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein